Interview I

Ein autobiographischer Dialog

Von Christoph Schlüren

„Der Grund, warum es mit Interviews fast nie funktioniert hat, war, dass sie alle die üblichen Fragen hatten, und dass ich diese Fragen nicht in der üblichen Weise beantworten kann und will.“

Anders Eliasson wuchs in einer komplett kulturfremden Umgebung auf, und die Familie konnte ihm keine musikalischen Impulse geben.

„Meine Mutter arbeitete in einem Friseurladen. Sie war sehr interessant, eine sehr lebendige Frau. Sie hatte viel Esprit. Sie war auch Amateur-Schauspielerin. Und ja, sie war eine sehr sensitive Person.“

In unserem ersten Gespräch, am 28. März 1996 in Stockholm in seiner Wohnung direkt an der U-Bahn-Station Gamla Stan, bekannte Anders Eliasson auch offen, dass es zuhause in seiner Kindheit nichts gab, was irgendwie bewusst auf eine Wirklichkeit jenseits des Alltags hingewiesen hätte. Musiker in der Familie?

„Der Bruder meiner Großmutter väterlicherseits war ein Fiedler. Das war freilich sehr lange her, und er starb auch schon mit ungefähr 17 Jahren. Und der Vater meiner Großmutter war ein sehr spezieller Mensch. Er hatte keinen wirklichen Beruf. Er war Klavierstimmer. Aber es konnten, zu jener Zeit zumal, nicht so viele Klaviere sein, die er in dieser Gegend in Dålarna stimmen konnte. Man erzählte auch, dass er sehr faul war und meistens auf dem Sofa lag. Und manchmal ging er dann ein Klavier stimmen. Und er war so böse auf seinen Sohn, den Geigenspieler, dass er einmal seine Geige zerbrach. Warum, weiß ich nicht. Und von meinem Großvater mütterlicherseits erhielt ich sehr simple musikalische Impulse. Er hieß Helmer und war Schlagzeuger in einem Jazzorchester. Dergleichen. Das ist alles.“

Was für ein Mensch war Ihr Vater?

„Er ist… Ihm fehlt es an Bildung. Ihm wurde nie eine Ausbildung zuteil. Wenn Früchte nicht reifen können… Er ist nie erwachsen geworden, der Sohn seiner Mutter geblieben.“

Ist da weiterhin eine Beziehung zu ihm?

„Ja. Armer Mann.“

Bewundert er Ihre Arbeit?

„Ich denke nicht. Ich weiß nicht.“

Hat er keinen Bezug zu dem, was Sie machen?

„Nein. Absolut nicht.“

Auch keinen sozialen Bezug?

„Nein.“

Es geht an ihm vorüber, als sei überhaupt nichts?

„Ja. Natürlich.“

War es immer so?

„Ja.“

Aber Sie sangen und fanden eine Faszination im Musizieren?

„Ja. Ich erinnere mich so unmittelbar, als wäre es eben gerade. Ich war sehr jung. Es war meine einzige Möglichkeit, zu überleben. Bevor ich ein Instrument bekam, auf dem ich spielen durfte – die Trompete –, hatte ich so viele ‚Spaß-Instrumente’, und die Spielzeug-Soldaten, die ich hatte, formierte ich zu einem Orchester, setzte mich vor sie hin und sang, imitierte den Klang der Instrumente. Ich kann es heute noch…“

Dann machen Sie es doch bitte vor…

„Nein, nein! Nicht für die Aufnahme! Aber ich lebte sehr stark in dieser selbstgeschaffenen Welt. Es ist eine Sache inneren Ausdrucksbedürfnisses.“

War das auch der Anfang von einer Art mehrstimmigem Denken?

„Ich weiß nicht. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie ein Orchester klingen könnte. Ich hatte manche Instrumente gehört, z. B. Geige, Posaunen, Hörner, Trompete… – Ich werde es jetzt wirklich nicht vorführen! – Aber wie hätte ich mehrstimmig singen sollen? Ich kann es ja nicht einmal zweistimmig. Irgendwo muss ich natürlich den Klang der einzelnen Instrumente aufgeschnappt haben – im Radio. Aber daran kann ich mich nicht erinnern. Für mich waren es die Soldaten.“

Schließlich bekam Anders Eliasson eine Trompete:

„Doch vertrauen konnten sie meinen Ambitionen nicht – ich denke, ich war neun Jahre alt. Bevor das Instrument ausgeliehen wurde, musste ich zuerst beweisen, dass ich nicht total unmusikalisch war. Ich war auf einem Treffen für Kinder und Jungs, an meinem Geburtstag, da verriet mir meine Schwester: ‚Du bekommst eine Trompete!’ ‚Das kann nicht wahr sein!’ Ich kam also nach Hause, und ich habe heute noch den Geruch des Metalls in der Nase. Fantastisch! Am Nachmittag des folgenden Tages wurde ich zu einem Nachbarn geschickt – ein Hornist, der die Kinder an der Musikschule unterrichtete. Als ich danach zurückkam, meinten sie, es sei zu spät, um jetzt noch zu spielen. Am nächsten Tag musste ich meiner Mutter vorspielen. Am Morgen hatte ich so ein paar einfache Melodien gelernt: ‚Okay, es ist in Ordnung, wir können die Trompete leihen.’ So ging es zu.“

Wo sind Sie aufgewachsen?

„In einer Kleinstadt in der Mitte Schwedens. Borlänge heißt der Ort. Aber ich hasse diese Namen…“

Bekamen Sie nichts von der dortigen Folklore-Musiziertradition mit?

„Nein, ich habe als Kind nie unsere Volksmusiker gehört. Aber nachdem ich die Trompete bekommen hatte, ging das sehr gut voran. Ich bewegte auch meine Kameraden dazu, in der Musikschule Instrumente spielen zu lernen, und so konnten wir bald anfangen, zusammen zu spielen. So gründete ich auf der Schule ein Jazzorchester. Mit zehn Jahren war ich Kapellmeister! Soweit ich mich erinnere, waren wir zwei Klarinetten, eine Posaune, Schlagzeug, Gitarre und Trompete.“

Was habt Ihr gespielt?

„Das ist wichtig: In dieser Gegend Schwedens gab es viele gute Jazz-Musiker, und gerade auch in den Arbeitervierteln waren traditionell viele Bläser-Corps. Einige der alten Musiker waren sehr interessiert und nahmen sich meiner an. Ich war der Bandleader, und sie kontrollierten mich, dass ich gute Proben abhielt. Sie schrieben auch Arrangements für uns. Es sind fantastische Erinnerungen. Als ich elf Jahre alt war, ging ich zu diesem wunderbaren Kontrabassisten, und er nahm sein Akkordeon und fragte mich: ‚Sag’ mir, welcher Akkord das ist!’ Und ich musste antworten: ‚Cis-Moll. D-Dur-Septakkord.’ Usw. Er hat mich überhaupt nicht als Kind behandelt. Und ich liebte es so, denn es war sehr einfach für mich, die Akkorde zu erkennen. Ich wusste nicht warum. ‚Na gut, er muss sehr begabt sein!’ Dann fing ich auch an, Arrangements zu schreiben. Schlecht, schlecht!“

Und eigene Kompositionen?

„Eine Klassenkameradin in den ersten Schulklassen war Nilla Pierrou [geb. 1947], die exzellente Virtuosin, spätere Assistentin von André Gertler und heute in Belgien lehrende Geigerin. Ihre Schwester war eine ausgezeichnete Pianistin, und ihr Vater war der Leiter der Regionalen Musikschule in der Stadt. Er war auch auf der normalen Schule mein Musiklehrer. Und er sagte: ‚Anders, würdest Du nicht ein Lied für die Klasse schreiben?’ ‚Ja!’ Ich war zehn Jahre alt: ‚Ich kann meine eigenen Kompositionen schreiben!’

Ich war zu jener Zeit sehr interessiert an der Jazz-Musik. Als ich vierzehn war, begann ich, ernsthaft Harmonie und Kontrapunkt zu studieren, bei Uno Sandén [1924-2013], dem hervorragenden Organisten im 20 Kilometer entfernten Falun. Er war ein Mitglied der Monday Group.“

Sie hatten Glück mit diesem Lehrer…

„Ja, zweifellos. Aber da war nicht so viel Glück in meinem übrigen Leben in jenen Tagen. Ich wurde wirklich krank, als ich 16, 17 war.“

Weswegen?

„Das weiß ich nicht. Ich musste ins Krankenhaus. Psychose.

Dann, nach zwei Jahren, gleich nach dem Krankenhausaufenthalt, ging ich nach Stockholm. Dort hatte ich einen Freund, der mich schon in den letzten Klassen an der Schule unterrichtet hatte. Er studierte jetzt am Konservatorium. Er ist auch Organist, ein sehr lieber Mensch. Und er stellte mich Valdemar Söderholm [1909-90] vor, dem leitenden Professor für Kontrapunkt. Die waren so liebevoll mit mir! Ich begann als Privatschüler mit Söderholm in Kontrapunkt, und er sagte zu mir: ‚Sie brauchen eine wirkliche Ausbildung. Sie müssen Musikpädagogik studieren.’ Ich hatte ihm einfache Kompositionen gezeigt, und er sagte: ‚Das ist Jazz.’“

Sie kamen also musikalisch noch ganz naiv in Stockholm an?

„Ja. Es war einfach die Fortsetzung dessen, als ich mit meinen kleinen Soldaten gesungen hatte. Aber da war ein Problem: Ich brauchte ein Hauptinstrument. Es musste Klavier sein, Trompete akzeptierten sie nicht. Es ist ja nicht so leicht, aufs Konservatorium zu kommen. Und die meisten, die es versuchen, spielen wenigstens zehn Jahre ihr Instrument, oder so ’was. Ich hatte nie zuvor auch nur versucht, Klavier zu spielen. So half mir wieder mein Freund, der Organist aus meiner Heimatstadt: Er stellte mich einer Klavierlehrerin vor, die auch am Konservatorium unterrichtete. Sie nahm mich als Schüler an. Ich konnte nur zu bestimmten Zeiten in der Jakobskirche üben, da ich selbst kein Klavier hatte. So musste ich alle neuen Stücke im Kopf lernen und praktizieren. Ich saß am Tisch und ließ die Finger laufen. Und konnte richtig spielen! Es war fantastisch!“

Was die bestmögliche Vorbereitung und Schulung war…

„Ja, das ist es, auch wenn es äußerst zäh war. Aber es im Kopf zu haben – natürlich! Also, es lief gut, und ich lernte auch Cello als Zweitinstrument – oder besser, ich versuchte, es zu spielen, um in die Klasse hineinzukommen, und, um dann wieder aus der Klasse herauszukommen…“

Und dann studierten Sie Musikpädagogik?

„Ja. Und am Klavier arbeitete ich sehr ernsthaft. Ja, so ist die Story.“

Haben Sie währenddessen auch komponiert?

„Nein. Zu jener Zeit war ich auf Kontrapunkt konzentriert, mit meinem großartigen Lehrer Valdemar Söderholm. Er zeigte mir, was Musik ist! Ich studierte eine Menge Bach. Ich denke, ich habe fünf Jahre mit ihm studiert.“

Ausschließlich strengen Kontrapunkt?

„Ja. Bach. Natürlich hatte ich mich mit Palestrina beschäftigt, bevor ich zu Söderholm kam.“

Und da war keine Idee, es kreativ fruchtbar zu machen?

„Nein. Notabene: es ist sehr kreativ, Bach zu studieren. Es ist die höchste Energie, mit der Sie in Berührung kommen können.“

Und Sie haben wirklich gar nicht komponiert?

„Ich war so glücklich, dass ich in der wahren, richtigen Art studieren konnte. Natürlich wollte ich – und ich hab’s auch getan. Aber es ist nichts, vergessen Sie es!“

Gut, es war nichts. Aber was war es?

„Ich hatte natürlich mitbekommen, dass es sich in der Jazzmusik zu ‚Musical Theater’, ‚Kinetic Music’ und derlei Sachen entwickelt hatte. Wenn ich das nun mit der klassischen Musik verglich, erschien mir diese so viel besser. Und ich dachte: ‚Die klassische Musik hat ganz andere Möglichkeiten, Perspektiven, Horizonte…’ – und mehr und mehr wurde ich mit der Ästhetik der Klassiker und der Modernisten vertraut. Zugleich waren da viele dieser idiotischen Versuche von meiner Seite zu jener Zeit.“

‚Modernistische’ Versuche? Inwiefern war es idiotisch?

„Es war an und für sich idiotisch. Aber ich musste es ja studieren, damit vertraut werden. Um zu wissen, was ich tue. Ich war schockiert, zumal, als ich später in der Kompositionsklasse von Ingvar Lidholm anfing – weil ich plötzlich jede Verbindung zur Musik in mir selbst verlor, als ich mit den ‚echten’ Komponisten in Berührung kam, mit Haubenstock-Ramati, Karkoschka, Ligeti usw. Aber wenn ich Komposition studieren wollte, war diese Klasse die einzige Möglichkeit.“

Wann haben Sie sich entschieden, Komposition studieren zu wollen?

„Von Anfang an.“

Wie früh ist Ihr Wunsch entstanden, Komponist zu werden?

„Sehr früh, in der Kindheit. Es war das Einzige, was für mich in Frage kam. Nirgendwo sonst passte ich hinein. Aber heute weiß ich, dass ich auch da nicht hinein passe… Jetzt bleibt kein Weg mehr übrig!“

Zuhause gab’s keinen Bach?

„Sie sind verrückt! Nichts!“

Aber wie konnten Sie ein Nichts zum Ziel haben?

„Als ich ungefähr zwölf war, bekam ich ein Grammophon geschenkt, und so benötigte ich Schallplatten dafür. Zu diesem Zweck schloss ich mich einem Schallplattenclub an. Die hatten auch ein klassisches Repertoire. Ich dachte, ich muss mir auch die klassischen Sachen anhören, wenn ich schon ein Grammophon habe. Das erste richtige Musikstück, das ich so hörte, war Haydns 104. Symphonie. Ein fantastisches Stück!“

Das erste Stück klassischer Musik, das Sie überhaupt hörten?

„Ja.“

Das muss eine Revolution in Ihnen ausgelöst haben.

„Es war eine Offenbarung. Heute noch hat diese Musik für mich einen besonderen nostalgischen Flair.“

Warum haben Sie mir das die ganze Zeit über verschwiegen?

„Es ist in meinem Skelett.“

Hat die Erfahrung dieser Musik den Wunsch in Ihnen hervorgerufen?

„Nein. Ich hatte keinen Wunsch. Ich weiß nicht, von wo es herkommt. Ich glaube, es ist sehr einfach: Es war die einzige Möglichkeit, zu überleben. Und das ist es immer noch. Aber ich weiß nicht, was es ist. Musik ist so kompliziert. Und immer war alles falsch mit mir, bei mir, zu jeder Zeit. Auch als Kind – da war ich sehr früh dran mit dem, was ich las. Es führte dann für mich zu völligem Desinteresse am Lesen. Es begann ganz abrupt mit Platons ‚Dialogen’, auf der Schule, als ich 14-15 war. Ich kann nicht behaupten, dass ich etwas davon verstand. Und dann brauchte es ungefähr 18 Jahre, bevor ich wieder zu lesen begann. Natürlich habe ich auf der Schule auch andere Sachen gelesen. Aber ich muss sagen: Es war eine Zeit großer Schwierigkeiten – die ganze Zeit, als ich jung war.“

Doch mit dem Komponieren war es etwas anderes.

„Ja. Es ging immer weiter. Aber niemand konnte diese Dinge verstehen. Nein, nein. Es ist aus einem anderen Universum.“

Mit Haydn als persönlichem Ausgangspunkt…

„Ja. Aber ich muss sagen: Der wirkliche Ausgangspunkt ist, indem ich dem Instrument zuhören kann, das Instrument spielen kann, zusammen im Ensemble. Als ich von den Spielzeugen zum richtigen Instrument kam und ins Ensemble. Zu hören, was geschieht!“

Was war Ihre Reaktion auf die künstlerische Ästhetik in der Kompositionsklasse bei Lidholm?

„Ich wusste nicht viel über ‚moderne Musik’, wie ich sie nannte. Ich musste lernen, hören, zu verstehen suchen, wie sie arbeiteten. Doch gleichzeitig verlor ich meine wirkliche Verbindung zur Musik. Sie verstehen, was ich meine? Aber ich konnte dieser Erziehung nicht aus dem Wege gehen. Ich verstand diese Sachen, klar, das ist nicht besonders schwierig zu verstehen. Und ich war auch sehr an elektronischer Musik interessiert. So verbrachte ich viel Zeit im Studio für Elektronische Musik. Aber zur gleichen Zeit wusste ich, dass es nicht so sein kann, wie es vorgemacht, wie es gezeigt wird. Ich kann nicht so falsch sein, dass Musik die Verbindung mit der Musik verliert. Das konnte ich nicht akzeptieren.

So resultierten versteckte Forschungen in meinem Inneren, die ich nie aufgab, die immer in mir weiterarbeiteten – an dem, was ich mein ‚musikalisches Alphabet’ nenne. Es ist sehr einfach. Wenn ich es mit der ‚modernen Musik’ vergleiche – mein Klavier ist völlig verstimmt, aber ich kann es demonstrieren – es waren so einfache Modi wie: d-f-h-c-h-f-d – eine Art lydischer Modus. Und der andere war: d-e-a-b-a – ein typischer dorischer Modus. Horizontal und vertikal. Die beiden Modi sind sehr nah miteinander verwandt. Leicht, von einem ins andere zu wechseln. Und das Besondere ist – für mich ist es nicht lydisch, nicht dorisch, weder noch – in keinen anderen Akkorden liegen so viele Möglichkeiten. Ich weiß keine anderen, die so viel Raum haben. So führt es direkt in die Ewigkeit.“

Eine neue Form der Tonalität…

„Absolut. Es gibt so lustige Geschichten. Als Karkoschka und Haubenstock da waren, wurden wir damit beschäftigt, graphische Partituren zu entwerfen. Ich wollte es nicht, doch Karkoschka bestand darauf: „Zu erledigen bis morgen!“ Also produzierte ich drei Seiten mit Graphiken darauf. Und als wir mit unseren Aufgaben anrückten, war er so fasziniert: ‚Fantastisch! Unglaublich!’ Er führte es mit dem Ensemble auf. Was für ein Gaukler, was für ein hochgeschaukelter Mist!“

Erfolgreich von Ihnen fabriziert.

„Ein Witz meinerseits. Es ist eine Lüge, nicht mehr. Und da waren noch viele andere Ästhetiken.“

Waren Sie in Ihrer ablehnenden Haltung allein, oder fanden Sie jemanden, mit dem Sie darüber sprechen konnten?

„Nicht so sehr. Ich hatte einen Kameraden, mit dem ich später kommunistischen Ansichten frönte und solchen Sachen. Und bereits 1967 traf ich Terry Riley, mit dem mich Folke Rabe bekanntmachte. Ich versuchte mich mit der Improvisation mit Amateuren. Aber ich akzeptierte nicht den Minimalismus. Was ich zu tun versuchte, war immer auf das Fundament bezogen.“

Haben Sie den Minimalismus nicht akzeptiert, weil er in der Horizontale atonal, also beziehungslos ist?

„Das stimmt zwar, aber ich akzeptierte diese Bordun-Musik – das war faszinierend für mich. Es wäre sehr einfach gewesen, mich auszudrücken in Partituren à la Riley. Aber ich tat es nicht. Ich spürte eine Antipathie.“

Sie wollten keinen Leerlauf?

„Na ja, ich bin sicher: Ich war voll von leeren Phrasen und derlei. Aber intellektuell und logisch? – Wenn wir improvisieren und ich Ihnen die Regeln dieses tonalen Systems gebe, z. B. c-d im ‚dorischen’ Modus: das c kommt immer unbetont – mit solchen Regeln musste ich es aufschreiben, nicht weiter: Es sollte eine Improvisation sein, und es brauchte einen hohen Grad an Freiheit. Mein Spielgefährte war Arne Eriksson. Er wurde später ein Rockmusiker. Heute ist er gar kein Musiker mehr. Aber wir tourten auch zu anderen Musikschulen, und das war fast eine Revolution. So gesehen war es eine fantastische Zeit.

Doch sehr bald hörte ich wieder damit auf, mit all’ diesen Sachen, und ich versuchte zu verstehen, was ich unter meinen Buchstaben fand, in meinem Alphabet. Es ist sehr einfach, und ich versuche nach wie vor, zu sehen, was es ist. Es ist so hochinteressant, weil es absolut grenzenlos ist. Aber dem liegt eine starke Limitierung zugrunde. Wenn Sie sich jedoch da hinein begeben und versuchen, es auszuschöpfen, ist es unbegrenzt. Es ist ein Paradoxon. Und deshalb, denke ich, ist es äußerst interessant: unter die Haut der Musik zu gehen.“

Worin genau besteht die Limitierung?

„Es ist die Begrenzung der allerersten Grundlage: Es sind nur diese zwei Akkorde – insofern eigentlich gleich einfach wie bei der Dur-Moll-Tonalität. Nur sind es in meinem Fall zwei andere Akkorde. Auch im Dur-Moll-System können Sie sich unbegrenzt bewegen, wenn Sie erkunden, was alles drin ist. Dergleichen in meinem Fall – das ist alles.“

Tonalität ist immer begrenzt, und deshalb ist sie unbegrenzt – wie bei Bach?

„Aber ich bin nur ein kleiner Baumeister…“

Es ist eine prinzipielle Frage.

„Ja, gut. Musik war immer dasselbe. Es dauerte nur ein paar Dekaden, wo es nicht so war…“

Das heißt, dass Sie sich nie um stilistische Fragen geschert haben…

„Nein. Wie hätte ich gekonnt? Stilfragen nachzuhängen hieße, dass Sie jemanden anderen fragen müssen, was Sie tun sollen. Was weit entfernt ist von dem, was ich unter Musik verstehe. Ich habe sehr oft erlebt – wenn ich vergaß und versuchte, meinen Willen der Musik aufzuoktroyieren: Das ist das wahre Desaster! So funktioniert es nicht!“

Es kommt, mit Sibelius, darauf an, der Sklave der Themen zu sein.

„Genau. Das tonale System kann sich weit, extrem weit vom Fundament entfernen, aber es ist für mich auch dann immer auf das Fundament bezogen. Ich denke nicht, dass bis heute irgendjemand das in meinem Werk entdeckt hat. So viele Leute haben bis heute gesprochen und Kritiken geschrieben über meine Stücke, aber keiner hat das Grundlegendste darin entdeckt. Es macht aber auch gar nichts aus, andererseits. Und auch ich könnte nicht darüber schreiben.“

Es ist doch gar nicht möglich, das Wesentliche zu verbalisieren.

„Das ist natürlich wahr.“

Worüber kann man dann schreiben? Vielleicht über die Motivation zu Beginn eines Stücks? Die erste Artikulation ist freier Wille – oder kommt sie aus der U-Bahn-Station?

„Das spielt keine Rolle für mich.“

Aber da ist doch eine Anfangssituation, mit der Sie zu einem Ende kommen oder auch nicht.

„Sie sprechen von Ideen, von Einfällen. Ich weiß nicht, von wo die Einfälle kommen. Die kommen mir einfach in den Sinn. Ich kann die nicht auf irgendeine Herkunft beziehen. Ich kann auch nicht sagen, dass das mein Wille ist. Sie kommen in meinen Kopf, und ich benutze sie.“

Zum 2. Teil